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Aargauer Zeitung 11.Oktober 1999
Beziehungen im Klang-Raum ausloten

Andere Klänge

Konzert des Swiss Improvisers Orchestra in Boswil

PETER BAUMGARTNER
Dass Kreativität gerade auch im Vermeiden des Spektakulären bestehen kann, das demonstrierte das Swiss Improvisers Orchestra am letzten Freitag in der Alten Kirche Boswil. Absolut überzeugend, wie Dorothea Schürch, Daniel Mouthon und die zwölf Musiker und Musikerinnen es verstanden haben, die Grundidee - aus den beiden Filmen «Metropolis» von Fritz Lang und «Prova d'Orchestra» von Federico Fellini zeitgenössisches Musiktheater zu entwickeln - vollständig in konkrete und glaubhafte Situationen überzuführen. Da war im Grunde genommen von Konzepten nicht mehr viel zu spüren, dafür umso mehr zu hören und zu sehen.
Ob die Musiker nun in einer Linie, kreuzförmig oder einfach wirr angeordnet waren: immer wurden Beziehungen und Hierarchien sichtbar, immer wurde das Kommunizieren in seinen Möglichkeiten und Schwierigkeiten erfahrbar, wobei aber nicht einfach Akustisches im Optischen sich verdoppelte, sondern beides sich vielfältig aufeinander bezog:
das Zusammenspiel konnte sich aus direkter Konfrontation entwickeln, aber auch die räumliche Situation völlig überschreiten: scheinbares Sich-Eingliedern konnte zu Konflikten, wirres Treiben zu spannenden neuen Gruppierungen führen; ähnlich auf der musikalischen Ebene, wo harmonisches Sich-Ergänzen Kommunikationsverweigerung bedeuten konnte, während in den dissonanten Reibereien meist echte Auseinandersetzungen stattfanden.
Dabei blieben die Musiker in all ihren Aktionen durch eine auffallende Kunst der Zurückhaltung immer überzeugend:
wenn einige stumm da standen, während andere spielten, dann schienen sie schlicht zuzuhören; machten sie Bewegungen oder Gesten, so behielten diese etwas Abstraktes, Poetisches; und wenn etwa Margrit Rieben und Jacques Widmer mit ihren grossen Pauken durch den Raum eilten und sich gegenseitig in die Quere kamen, dann drückte sich darin ein natürlicher Schalk aus.
Überhaupt war es ein grosser Genuss, Katrin Scholl, Charlotte Hug, Cristin Wildbolz, Ursula Maehr, Franziska Baumann, Carles Peris, Gregor Hotz, Valentin Vecellio, Stefan Wyler, Leo Bachmann, Margrit Rieben und Jacques Widmer zuzuschauen und zuzuhören, wie sie energisch agieren, aber auch über längere Zeit hinweg Klangflächen gestalten konnten, mal als von Soli und Kleingruppen zerfurchte Hintergründe, mal als sensibel geschichtete, farblich wogende Klangströme.


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